Einführung zum Thema Dampf

  1. Dampf – Grundlagen

     
    1. Eigenschaften von Dampf

  2.  
    1. Phasendiagramm des Wassers

       

      In Abbildung 1.1 sind die Phasen des Wassers unter Normaldruck grafisch dargestellt. Dabei wird auf die jeweilige Zusammensetzung des Wassers in den Phasen eingegangen. Auf der horizontalen Achse wird die spezifische Enthalpie, auf der vertikalen Achse die Temperatur dargestellt. Das Phasendiagramm zeigt die Änderung in Temperatur und Phase in Abhängigkeit von der spezifischen Enthalpie der Wassermoleküle.

       

      Image_001_EN.png

      Abbildung 1.1: Phasendiagramm des Wassers unter Normaldruck

      In obiger Grafik werden folgende Größen dargestellt: fühlbare Wärme (Enthalpie der Sattdampftemperatur, h’) vor Erwärmung des Wassers von 0 °C auf 100 °C; die Gesamtwärmemenge bei Übergang des gesamten gesättigten Wassers in den dampfförmigen Zustand (Enthalpie h” des Sattdampfs); die für die Verdampfung erforderliche latente Wärme (Enthalpie der Verdampfung r = h” – h’). Der Dampf, der bei Verdampfung von gesättigtem Wasser entsteht, wird als gesättigter Nassdampf bezeichnet. Wenn das Wasser vollständig verdampft ist, wird der Dampf als gesättigter Nassdampf bezeichnet. Wird trockener Sattdampf erneut erhitzt, steigt die Temperatur. Dampf, der deutlich über seine Sattdampftemperatur erwärmt wurde, wird als Heißdampf bezeichnet. Die Temperaturdifferenz zwischen Heißdampf und Sattdampf wird Überhitzungswärme genannt.

      Im Folgenden wird die Enthalpie des Wassers als „fühlbare Wärme“, die Verdampfungsenthalpie als „latente Wärme“ und die im Dampf enthaltene Wärme als „Gesamtwärme“ bezeichnet.

    2. Energie des Dampfs

       

      Wie bereits ausgeführt, erfolgt der Phasenübergang von Dampf zu Kondensat, wenn der Dampf latente Wärme abgibt. Die Temperatur gleicht sich hier an die des Dampfs an. Latente Wärme mit dieser Eigenschaft stellt eine höchst effektive Energieform für Prozesse dar, in denen Wärmebehandlung mit konstanter Temperatur, z. B. Sterilisation, erforderlich ist. Dampf ist ein hervorragend geeigneter Energieträger, da er einfach verfügbar ist und sehr große Mengen latenter Wärme aufnehmen kann.

        Die Menge latenter Wärme kann anhand einer Sattdampftabelle nachgeschlagen werden. In Tabelle 1.2 finden Sie einen Ausschnitt einer Sattdampftabelle. Für den Beispielfall unter Normaldruck (Manometerdruck 0,0 MPa) gelten folgende Werte (gerundet):

       

       

      Fühlbare Wärme des gesättigten Wassers: h’ = 419 kJ/kg
      Gesamtwärme des Dampfs: h” = 2.676 kJ/kg
      Latente Wärme: r = h” – h’ = 2.257 kJ/kg

       

      Daher gilt:

       

      (Verhältnis der Gesamtwärme des Dampfs) = 2.257 / 2.676 = 0,8434 ≒ 84 %

      (die Menge latenter Wärme, die im Verhältnis zur fühlbaren Wärme im Dampf verbleibt) = 2.257 / 419 = 5,3866 ≒ 5,39

      Daher weist Dampf unter Normaldruck 84 % der Gesamtwärme als latente Wärme auf. In anderen Worten: Die latente Wärme des Dampfs beträgt das 5,39-Fache der fühlbaren Wärme.

      In Tabelle 1.1 ist ein Vergleich der thermodynamischen Eigenschaften von Wasser, Ammoniak, Methanol und Ethanol dargestellt. Daraus geht hervor, dass Wasser ein vergleichsweise hohes Verhältnis aus latenter Wärme aufweist.

       

      Tabelle 1.1: thermodynamische Eigenschaften häufig verwendeter Substanzen unter Normaldruck

      Substanz

      Schmelzpunkt (℃)

      Siedepunkt (℃)

      Schmelzwärme (kJ/kg)

      Latente Wärme (kJ/kg)

      Wasser

      0

      100

      333.5

      2,257

      Ammoniak

      -77.8

      -33.4

      338

      1,371

      Methanol

      -97.7

      64.7

      99.2

      1,190

      Ethanol

      -114.1

      78.6

      109

      855

       

      Mit steigendem Druck wird eine größere Wärmeleistung zum Erreichen der Sättigung benötigt, die Temperatur erhöht sich auch ohne Änderung der Phase. Also steigen sowohl fühlbare Wärme als auch die Sättigungstemperatur. Diese Beziehung wird Abbildung 1.2 als Druckkurve des Sattdampfs dargestellt. Auf dieser Kurve können bei gleicher Sättigungstemperatur Wasser und Dampf gleichzeitig existieren. Das Wasser unterhalb der Kurve hat noch nicht die Sättigungstemperatur erreicht. Oberhalb der Kurve existiert das Wasser als Heißdampf.

       

      Fig.1.2_DE

      Abbildung 1.2: Druckkurve des Sattdampfs

      Wie ändert sich die Wärmekapazität von Sattdampf und gesättigtem Wasser bei Erhöhung des Drucks? Diese Beziehungen werden in Abbildung 1.3 dargestellt. An dem Graph lassen sich folgende Tatsachen ablesen.

      1. Die fühlbare Wärme gesättigten Wassers steigt mit Erhöhung des Drucks.

      2. Die latente Wärme des Dampfs verringert sich mit Erhöhung des Drucks.

      Die Gesamtwärme des Dampfs (die Summe aus fühlbarer Wärme und latenter Wärme) ist im Vergleich zu ihren Komponenten beinahe konstant, obwohl sie sich im unteren Druckbereich leicht erhöht. (Allerdings sinkt sie auch bei etwa 3,2 MPa. Die latente Wärme beträgt bei Erreichen des kritischen Punktes 0.)

       

      Fig.1.3_DE

       

       

       

      Abbildung 1.3: Beziehung zwischen Wärmemenge und Druck für Dampf und gesättigtes Wasser

       

      Beachten Sie hier, wie die für die Verdampfung erforderliche latente Wärme mit steigendem Druck sinkt. Je höher also der Dampfdruck, desto weniger latente Wärme ist verfügbar. Wie sich aus Tabelle 1.2 entnehmen lässt, beträgt beispielsweise die latente Wärme bei 0,5 MPa und 1,0 MPa r = 2.085 kJ/kg bzw. 1.998 kJ/kg. Daher ist die latente Wärme bei 1,0 MPa geringer als bei 0,5 MPa und beide Male geringer als 2.257 kJ/kg, der latenten Wärme unter Normaldruck (0,0 MPa).

      In Abbildung 1.4 ist die Beziehung zwischen dem spezifischen Dampfvolumen und dem Dampfdruck dargestellt. Wie zu sehen ist, verhält sich das spezifische Volumen umgekehrt proportional mit erheblichen Änderungen im Bereich niedriger Drücke und allgemein abnehmend bei Erhöhung des Drucks. Je höher der Druck, desto geringer ist sowohl die latente Wärme pro Masseneinheit (1 kg) als auch das Volumen, sodass eine Erhöhung der latenten Wärme pro Volumeneinheit (1 m3) zu verzeichnen ist. Daher kann also durch Erhöhung des Dampfdrucks eine höhere Energiemenge in einer Hauptdampfleitung geringeren Querschnitts transportiert werden. Dies gehört zu den wichtigen Punkten, die beim Entwerfen von Dampfleitungssystemen zu beachten sind.

       

      Fig.1.4_DE

      Abbildung 1.4: Beziehung zwischen Dampfdruck und spezifischem Volumen

       

      Tabelle 1.2: Sattdampftabelle (auf Grundlage des Manometerdrucks)

       

      Manometerdruck (MPa)

       

      Sattdampftemperatur (℃)

      Spezifisches Volumen (m3/kg)

       

      Masse-Volumen-Verhältnis (kg/m3)

      Latente Wärme (kJ/kg)

      Gesättigtes Wasser

      Sattdampf

      Fühlbare Wärme

      Gesamtwärme

      Latente Wärme

      v’

      v”

      h’

      h”

      r=h” – h’

      0.0

      100.00

      0.0010437

      1.67300

      0.5977

      419.06

      2676.0

      2256.9

      0.1

      120.44

      0.0010610

      0.87999

      1.1364

      505.58

      2706.6

      2201.0

      0.5

      158.93

      0.0011096

      0.31482

      3.1764

      670.79

      2755.6

      2084.7

      1.0

      184.12

      0.0011331

      0.17718

      5.6440

      781.36

      2779.7

      1998.3

    3. Trockenheitsanteil

       

      Dampf wird in einem industriellen Boiler erzeugt und dann den Prozessen zugeleitet, in denen er benötigt wird. Da es nahezu unmöglich ist, vollkommen trockenen Dampf in einem industriellen Boiler zu erzeugen, enthält Dampf in industriellen Anwendungen stets einige Wassertropfen. Dampf, der flüssiges Wasser enthält, wird Nassdampf genannt. Für die meisten Dampfanwendungen ist allerdings zu 100 % trockener Dampf erforderlich. Der Teil des Nassdampfs, der nicht aus Dampf, sondern tatsächlich aus Wasser besteht, wird als „Trockenanteil“ oder „Trockenheit“ bezeichnet. Je höher der Trockenanteil, desto höher ist die Qualität des Dampfs.

       

      Der Trockenanteil (χ) ist das Massenverhältnis des trockenen Dampfs in Relation zur Gesamtmasse des Nassdampfs. Wenn Dampf beispielsweise 5 % Wasser enthält, beträgt der Trockenanteil 0,95. Analog dazu wird (1-χ) als Nassanteil bezeichnet. Der Trockenanteil des durch einen üblichen Boiler erzeugten Dampfs liegt in der Regel zwischen 0,95 und 0,98. Die in gesättigtem Nassdampf enthaltene Wärmemenge (spezifische Enthalpie, h) lässt sich mit folgender Formel und den Symbolen in Abbildung 1.1 beschreiben.

      h=(1-χ)h’+χh”=h’+χr

    4. Entspannungsdampf

       

      Der Begriff „Entspannungsdampf“ beschreibt in der Regel Dampf, der aus Kondensatsammelbehältern und offenen Ablassleitungen nach Kondensatableitern stammt. Warum bildet sich Dampf ohne weitere Wärmezufuhr? Entspannungsdampf bildet sich, wenn der Druck von Wasser mit vergleichsweise hoher Temperatur so weit reduziert wird, dass die Sättigungstemperatur für den neuen Wasserdruck unterhalb der ursprünglichen Wassertemperatur liegt.

       

      Wenn die Sättigungstemperatur des Wassers unterhalb der tatsächlichen Temperatur liegt, beginnt ein Teil des Wassers zu verdampfen. Im Folgenden finden Sie ein Beispiel für Kondensat, dass durch einen Kondensatableiter geleitet wird. Die Temperatur auf der Primärseite ist nahezu immer hoch genug, um Entspannungsdampf zu erzeugen.

       

      Fig.1.5_DE

       

      Abbildung 1.5: Erzeugung von Entspannungsdampf

       

      In Abbildung 1.5 beträgt der Druck auf der Primärseite des Kondensatableiters 0,5 MPa (daraus folgt eine Sättigungstemperatur von etwa 159 °C – die für dieses Beispiel angenommene Wassertemperatur) und das Kondensat (mit einer für eine übersichtliche Gleichung angenommenen Masse von 1 kg) wird über eine Kondensatleitung in die Atmosphäre abgelassen.

       

      Wie aus Tabelle 1.2 hervorgeht, beträgt die fühlbare Wärme für 1 kg Kondensat bei 0,5 MPa und Sättigungstemperatur 671 kJ. Gemäß dem Ersten Hauptsatz der Thermodynamik ist die Gesamtwärmekapazität der Flüssigkeit auf der Hoch- und Niederdruckseite des Kondensatableiters gleich. Dies entspricht dem Energieerhaltungssatz (dabei werden Wärmeverluste durch Wärmeabgabe und Strömungswiderstand vernachlässigt). Daher hat 1 kg Wasser, das durch die Niederdruckseite fließt, eine Wärmekapazität von 671 kJ. Allerdings hat Wasser unter 0 MPa bei Sättigungstemperatur (100 °C) eine fühlbare Wärme von nur 419 kJ. Dies bedeutet eine Differenz von 671 – 419 = 252 kJ. Dies kann als Wärmeüberschuss des Wassers betrachtet werden. Diese überschüssige Wärmemenge wird jedoch zu latenter Wärme, die einen Teil des Kondensats zum Sieden bringt und verdampft. Dieser Dampf wird als Entspannungsdampf, der Vorgang als Entspannungsverdampfung bezeichnet.

      Daher ist 1 kg Kondensat auf der Hochdruckseite des Kondensatableiters in flüssiger Form vorhanden, auf der Niederdruckseite teilweise in flüssiger Form und als Dampf.

       

      Die entstehende Menge an Entspannungsdampf kann mithilfe der folgenden Formel berechnet werden.

       

      Figure.1.5-1_DE

       

      Die aus 1 kg Kondensat entstandene Menge Entspannungsdampf beträgt also 0,11 kg.

      Der Anteil Entspannungsdampf, der durch Druckminderung entsteht, wird durch das Verhältnis aus Wärmeüberschuss und latenter Wärme unter dem Enddruck bestimmt.

       

      Es gilt zu beachten, dass Entspannungsverdampfung nicht nur ein natürlicher Vorgang in Dampfsystemen ist, sondern als berechenbarer Effekt auch für die Effektivitätsmaximierung von Dampfanwendungen genutzt wird. Eine typische Systemkomponente für die Nutzung von Entspannungsdampf ist ein Entspanner.

    5. Weitere Eigenschaften

       

      Wie bereits erwähnt, wird Dampf aufgrund seiner relativ hohen Menge an latenter Wärme, des nahezu unbegrenzten Wasservorkommens auf der Erde und den ökonomischen Vorteilen häufig als Energieträger verwendet. Zusätzlich bietet Dampf die folgenden Vorteile:

       
      • Er ist für Menschen gesundheitlich unbedenklich.
      • Es handelt sich um eine nicht korrosive, nicht brennbare, stabile Chemikalie.
      • Er weist im Vergleich zu anderen Wärmeträgern eine gleichmäßige Wärmeabgabe auf.
      • Die Sättigungstemperatur lässt sich durch Änderung des Betriebsdrucks kontrollieren. Die erforderliche Erwärmtemperatur kann daher durch Druckregulierung erzielt werden.
      • Aufgrund der großen Differenz im spezifischen Volumen zwischen Dampf und Kondensat wird unmittelbar nach Einsetzen der Kondensierung des Dampfs neuer Dampf erzeugt.
       

      Die Verwendung von Dampf weist folgende Nachteile auf:

      • Sofern das Dampfsystem nicht für vollständigen Luftabschluss ausgelegt ist (was sich nur schwer erreichen lässt), ist das Vermischen des Dampfs mit Luft und gegebenenfalls anderen Gasen nicht zu vermeiden. Durch diese Vermischung wird die Effizienz der Wärmeübertragung erheblich beeinträchtigt.
      • Das für die Dampferzeugung verwendete Wasser ist nie rein. Es weist stets verschiedene Verunreinigungen auf, die bei der Dampferzeugung unterschiedliche Probleme hervorrufen und die Dampfqualität verringern können. Die in dem für die Dampferzeugung verwendeten Rohwasser enthaltenen Verunreinigungen lassen sich während der Dampferzeugung nicht gänzlich entfernen und können Oxidation und Korrosion verursachen.

 

Je nach Positionierung des Kondensatabscheiders müssen möglicherweise Maßnahmen gegen Gefrieren ergriffen werden, da der Gefrierpunkt von Wasser bei 0 °C liegt.